Stay in contact 2015_3

Uruguay - Poesie der Weite

In unserer Zeit zählt meist mehr das Laute, das Spektakuläre, das Gigantische. Redet man mit Reisenden die hier in Südamerika unterwegs sind, so sind schnell die Wasserfälle von Iguazu in Brasilien, die Gletscher in Chile oder die spektakuläre Silhouette der Anden im Gespräch. Und es wird still, wenn das Gespräch auf Uruguay kommt, da es kaum jemand bereist und damit kennt. Natürlich ist hier das Land der (noch richtigen) Gauchos, die Weite der Weiden, das Liebliche der kleinen intimen Städtchen, oft dahin träumend wie darauf wartend geweckt zu werden. Natürlich ist Uruguay auch das Land des Matetees der hier allgegenwärtig und das ist keine Übertreibung wie der beste Freund oder die Geliebte am Herzen mitgetragen wird. Auf Schritt und Tritt. Aber nichts ist laut und schreiend. Die kleinen Nationalparks die rasch durchwandert, die Thermen mit dem morbiden Charme und - das ist das Uruguayische - die allgegenwärtige Gastfreundschaft.

Und hier sind wir auch schon am Wesentlichen, das Uruguay für uns zu bieten hat. Es sind neben der Weite - die wir so lieben - die Menschen, liebenswert, freundlich, bescheiden. Das ist das Große in diesem kleinen Land. Und man begegnet diesem Besonderen hier überall. Hier lebt noch etwas was wir in Europa verlernt oder verloren haben, sich Zeit zu nehmen für ein kleines Gespräch, die Gastfreundschaft als Kultur zu pflegen, nicht aufgesetzt, auch das wenige an Besitz, teilend. Das kleine Gespräch zum Leben dazugehört, wie der Mate oder die Kühe zum Land. Die Bescheidenheit der Menschen ist hier etwas was nicht gelernt werden muss, sondern sie ist. Der Gaucho mit ein paar 1000 Ha ist nicht Großgrundbesitzer, er ist Gaucho. Der Weinbauer, der mehr als erfolgreich seinen Wein an den Mann bringt fährt seinen 50 Jahre alten Chevy und würde ihn gegen keinen Porsche eintauschen. Hier spendete der Blumenzüchter und Expräsident „Pepe“ Mujica, 80% seines Gehaltes an wohltätige Institutionen, den er braucht nicht mehr zum Leben und mitnehmen kann er sich eh nichts, wie er sagt. Und wenn auf der anderen Seite der Welt die Konsumtreiber wollen, dass jeder ein X-Phone braucht zum Glücklichsein, tut das hier gut. Es geht auch ohne, fast im Gegenteil ist hier die Zeit noch genützt im Gespräch und dem Miteinander. Wie selbstverständlich fährt die ganze Familie am Wochenende in den nächst gelegenen Park um hier das Asado zu grillen, den Mate zu trinken oder zu fischen.

Dass aus dieser Tiefe empor in die Spitze auch eine Kraft entsteht die alles überdauert, ist fast schon natürlich. Und so stehen hier Menschen wie die Dichterin Demira Agustini, die man ohne Umschweife zu den größten lateinamerikanischen Dichterinnen des frühen 20. Jahrhunderts zählen darf, den 2010 verstorbenen mehrfach ausgezeichneten Mario Benedetti oder Edoardo Galeano der sich mit dem Kolonialismus moderner Prägung auseinandersetzt. Und viele andere mehr sind es die hier das Ruhige als Quelle betrachten, abgeschirmt vom Lärm jene Gedanken finden, die sie berühmt und bekannt gemacht haben.


Der Star, der Tango in Person

Aber die wohl bekannteste künstlerische Persönlichkeit hier in Uruguay ist auch die Unsicherste. Carlos Gardel. Die erfolgreiche und dennoch tragische Gestalt in Noten.

Fernab vom Touristenstrom besuchen wir in Valle Eden bei Tacuarembo ein kleines ihm dem Größten gewidmetes Museum. Hier versucht man in Argumenten diesen berühmten Landsmann zu binden. Der Einzigartige, den Frankreich, Argentinien und Uruguay als den seinen sieht, der selbst zu dieser Verwirrung beigetragen hat, um seine Vergangenheit zu löschen. Aus Scham aus Enttäuschung aus Gleichgültigkeit.


Un poco de la historia de Carlos Gardel


1887 geboren als Sohn von Coronel Carlos Escayola, Jefe Politicoy de Policia auf der Estancia „Santa Blanca“ bei Tacuarembo in Uruguay. Der Colonel der laut Recherchen eine heimliche Affäre mit einer Juana Sghirla, einer Argentinierin, die mit dem italienischen Konsul Juan B.Oliva verheiratet ist, er heiratet – man höre und staune – die zweite der drei Töchter Olivia/Sghirla um seiner Geliebten (der Mutter) nahe zu sein. Da auch die beiden Schwestern auch auf dem Hof arbeiten, kommt es wie es kommen musste: die älteste der Schwestern Clara bekommt zwei Kinder, die verheiratete Blanca sieben Kinder und die Jüngste Maria Lelia sechs Kinder, alle vom Colonel Escayola. Ein Kind von Maria Lelia wird Carlos genannt.

Um das politische und soziale Ansehen zu wahren, werden alle Kinder irgendwie verheimlicht oder wie im Fall Carlos an eine Arbeiterin der Estancia „Santa Blanca“ die französischer Abstammung ist, abgegeben. Ihr Name ist Berta Gardes die nachdem sie nach ein paar Jahren nach Argentinien emigriert, ihm ihren Namen gibt – Carlos Gardes.


Das aus dem Jungen irgendwann „the voice of Tango“ wird, kann um diese Zeit niemand erahnen.

Mit seiner Mutter lebt Gardel fortan in Buenos Aires arm und ohne Perspektive. Der Junge vertreibt sich, unbeobachtet von der alleinerziehenden Mutter, seine Zeit auf den Straßen der argentinischen Metropole. Schon in sehr jungem Alter fällt seine Stimme auf.

Im Jahre 1902, hilft er als Kulissenschieber im Teatro Victoria und hier hört ihn der bekannte italienische Sänger Titta Ruffo,der ihn bei der Ausbildung seiner Stimme unterstützt. Seine Stimme entfaltet nun seine später berühmte Sinnlichkeit und dramatische Expressivität.

1906 verläßt er die Schule und konzentrierte sich nur noch auf das Singen. Er tritt in den Cafés und Restaurants der unmittelbaren Nachbarschaft auf. 1912 legt er seinen französischen Namen ab und nennt sich von nun an Carlos Gardel. Gleichzeitig leugnet er die französische Herkunft und gibt an, aus Uruguay nach Argentinien gekommen zu sein.

1912 findet er in dem Sänger José Razzano seinen genialen Partner, die in den folgenden fünfzehn Jahren gemeinsam musizieren.

Bis 1915 werden die beiden Sänger so populär, dass sie nicht nur in den besten Theatern und Clubs von Buenos Aires, sondern auch in ganz Argentinien, in Uruguay, in Chile und Brasilien auftreten. Auf diesen Tourneen trifft Gardel sein großes Idol, den italienischen Tenor Enrico Caruso. 1915 wird Gardel in einem Club durch einen Lungensteckschuss niedergestreckt. An den Folgen dieser lebensgefährlichen Verletzung leidet er bis an sein Lebensende.

Nach einer einjährigen Pause kehrt er mit noch größerem Enthusiasmus zurück. Ab 1917 spezialisiert er sich ausschließlich auf den Tango. Nach der Trennung von Razzano, der mit dieser Einseitigkeit nur mehr Tango zu musizieren nicht einverstanden ist, steigt er zum ersten und bis heute berühmtesten Tangosänger Argentiniens und der Welt auf.

Gemeinsam mit seinem lebenslangen Weggefährten, dem Dichter und Journalisten Alfredo Le Pera, komponiert Gardel zahlreiche klassische Tangos wie Mi Buenos Aires querido, Soledad, Golondrinas, Volver und El día que me quieras.

Ende 1925 geht Gardel nach Europa und wird in Spanien ein ebenso großer Star wie in Lateinamerika. Sein Debut in Paris gibt er 1928. Carlos Gardel ist der erste südamerikanische Weltstar im Showbusiness. Seine Bedeutung für den Tango wird später höchstens noch von Astor Piazzola erreicht. Mit Beginn des Tonfilms wirkt in zahlreichen Musikfilmen mit.

Am 24. Juni 1935 stirbt Gardel, Alfredo Le Pera und mehrere ihrer Begleiter beim Zusammenstoß zweier Flugzeuge auf der Landebahn des Flughafens der Stadt Medellin in Kolumbien. Gardel stirbt auf dem Höhepunkt seiner Karriere während einer Tournee, die ihn durch ganz Lateinamerika führen sollte. Millionen seiner Fans weinen um ihn, mehrere begingen Selbstmord. In Argentinien geht heute noch die Redensart um: „Gardel singt mit jedem Tag besser“. Ein Vers aus seinem Tango "Volver" wurde zum geflügelten Wort in ganz Lateinamerika: Veinte años no es nada (‚Zwanzig Jahre sind ein Nichts‘). Gardel ist auf dem Friedhof in Buenos Aires begraben.

Dass hier das Verwirrspiel noch nicht zu Ende ist, beweisen viele Dokumente um seine Herkunft in diesem kleinen Museum.


Museum Carlos Gardel Valle Eden /Tacuarembo

Und so behauptet jedes Land Frankreich, Argentinien und Uruguay Heimatland dieses berühmten Sohnes zu sein. Er selbst sah sich - und das bestätigt auch der letzte argentinische Pass in dem Tacuarembo/Uruguay als Geburtsort eingetragen war – als in Uruguay geboren.

                                                            Quelle: Museo Carlos Gardel,Tacuarembo/Wikipedia


Egal, was bleibt ist seine unvergleichliche Musik und eine Geschichte die seinesgleichen sucht.


(Video Gardel)


Und so gibt es viel zu schreiben über das stille Land mit den stolzen aber bescheidenen Menschen. Aber mehr noch zu hören und zu sehen in der Musik und den Bildern dieses wunderschönen Landes.


Stay in Contact

 

Willi und Eva

28. Juni 2015