Stay in Contact 2016_2

6 Monate Patagonien - 5 Wochen Österreich

 

Patagonien - Das waren Tage in der Natur, Begegnungen, Schönheit, Nachdenklichkeit, Wildheit, Faszination und Gedanken über die eigene Zukunft, dem Lebensstil, dem wie.

Da viel zu sagen oder schreiben käme dem Erlebten nicht gerecht. Ein wenig haben wir uns verliebt und wollen wiederkommen. So lassen wir dich mit ein paar Bildern allein...

 

Doch das Schicksal meint es interessant mit uns und schickt uns einen Angebotsflug von Santiago in Chile in die Heimat. Wir können so die Liste abarbeiten, die sich im Laufe der letzten zwei Jahre angesammelt hat. Zahnarzt, Führerscheinverlängerung, Steuerberater, Augenarzt, Ersatzteile fürs Auto und anderes. Neben den Erledigungen bekommen wir natürlich auch mit, was sich so tut hier in Österreich. Nachdem wir auch hier nur mehr Gast sind, können wir gut die Polarität der Welten erleben und das gibt uns die Chance des nicht wertens, was nicht leicht und einfach ist.

 

Hier in Österreich haben wir vieles, was wir sonst nicht haben. An jeder Ecke bekommen wir alles, auch das was wir sonst nicht brauchen und wollen. Die Versorgung im Gesundheitssystems ist so, dass jeder alles erhält und mehr. Die Verführung Unnützes zu wollen ist so groß, dass wir uns dem kaum entziehen können. Das Leben der Begegnungen ist meist getrieben von Terminen und Wichtigkeiten. Kaum Zeit für nicht Umsatzbringendes und einfach sein. Wir erleben das, besser wir spüren das und es macht uns nachdenklich und wir fragen uns, ob das früher auch unsere Normalität war. 

 

Wir sehen auch nach genau vier Jahren, wie das Klima des Lebens in Österreich sich verändert hat. Das hier eine Unzufriedenheit herrscht, obwohl viele viel haben, diese Unzufriedenheit sich oft gar nicht konkret benennen lässt, nicht offensichtlich real existiert, auch diejenigen das Ende herbei beschwören, die es gar nicht wollen. Das das österreichische Raunzen gewichen ist in ein böses Unzufrieden sein, indem vermutlich viele, sollten sie wieder einmal aufwachen im Realblick sehen werden, dass es ihnen im Schlechtgehen so gut gegangen ist, wie dann nicht mehr. 

 

Im Film „Club der toten Dichter“, steigt Robin Williams als progressiver Lehrer auf den Tisch um seinen Schülern zu erklären, dass es wichtig ist aus dem Strom des „Alltäglichen“ und „Gewohnten“ aufzusteigen, um in einer Position über den Dingen einen weiteren Blick zu bekommen. Nicht das oben herab, sondern die Weite ist die Chance seinen Horizont zu vergrößern. Und er erzählt den schockierten Schülern, was er da so alles sieht, der Neue, Unbedarfte, Frische. So ein bisschen geht es uns auch, wenn wir hier sind. Und was wir da sehen, erstaunt und beunruhigt. Vom politischen Klima der gegenseitigen Hetze, wo wir sehen, dass jede Seite meint der andere ist es der das Klima aufheizt, ohne zu merken, dass es beide „Lager“ sind. Dem Dialog der Unterschiedlichkeit, die Ablehnung der Andersartigkeit gegenübersteht und die Eskalation (nach Glasl) des Konfliktes schon weit über die soziale Ausweitung hinaus gegangen ist. Das kaum jemanden klar ist, dass zurück viel schwieriger ist, als das Erreichen der nächsten Stufe im Konflikt nach vorne. Das zerbrochene Porzellan auch wenn geklebt, nicht mehr so schön wird wie vor der Zerstörung.

 

Für mich liegt das Grundübel an der verlorenen Selbstverantwortung des Individuums. Versteckt hinter Nic-name und unpersönlich ist es leichter seinen Müll zu abzulegen, als in den nicht mehr vorhandenen Dialog zu gehen. Laß uns drüber reden - ist kurzen Statements der Oberflächlichkeit gewichen, indem jeder und jede seine subjektive meist negative Wahrheit hineininterpretieren kann. Kollektiv ist das Schlechte und Mißtrauische gewichen dem Hoffnungsvollen und Erstrebenswerten.

 

Eva und ich sind trotz allem positiv und vor allem dankbar. Dankbar das Glück zu haben viele Seiten der Wahrheiten zu erleben. Wenn bei uns jemand sagt dass es im schlecht geht, mein vielleicht ein anderer in Südamerika oder der Mongolei, dass er im Luxus lebt. Wenn hier in Europa wir Angst haben vor der „Andersartigkeit“ der Anderen, erleben wir, dass da gar nicht so viel Unterschied ist zwischen uns Menschen außer den von uns gemachten. Wenn es Aufgabe der Religionen der Welt  wäre Menschen zu verbinden und ihnen zu einer höheren Spiritualität zu verhelfen, wir aber erleben was jetzt gerade und immer schon passiert, kann man nicht umhin dieses ganze System in Frage zu stellen und als gescheitert zu betrachten. 

 

Eine der wesentlichen Erfahrungen unserer Reise ist dass wir, egal was außen ist, wir unsere eigenen Entscheidungen treffen müssen und können. Wir können niemanden die Verantwortung für irgend etwas außen geben. Das ist manchmal nicht einfach, da es leichter ist den anderen, dem Staat, der Bürokratie und was weiß ich was die Schuld zu geben, aber schlußendlich sind wir es die unseren Weg gehen. 

 

So werden wir wieder zurückfliegen und unsere Reise fortsetzen. Mit vielen Eindrücken aus unserer bisherigen Heimat. Mitnehmen werden wir, dass wir dankbar sind so leben zu können wie wir es gerade tun. Dass uns einiges fehlt von hier, dieses sich aber mehr auf Inneres und Menschen bezieht als auf das uns oftmals vorgegaukelte von aussen. Dass uns aber in unserer selbst gewählten Einfachheit nichts fehlt von dem was wir hier bekommen und woanders nicht. Im Gegenteil, wir das kleine, lebenswerte, oft unsichtbare und unscheinbare eher dort spüren wo das laute, marktschreierische, Megamarkt große noch nicht eingekehrt ist. Und was wir am wenigsten vermissen, ist die negative Stimmung, wo auch das schlecht gemacht wird, was gut ist. Das Neue gar keine Chance hat, weil viele die Positionen des Alten gar nicht aufgeben wollen. Das die Bestätigung des Negativen wichtiger ist als die Hoffnung, das das Neue noch Unbekannte besser sein könnte als das Alte. Diesen Stillstand vermissen, ja wollen wir nicht. Wir werden uns die grundsätzlich positive Einstellung erhalten, zu Menschen, zum Leben, zur Zukunft.

 

Wir sehen uns nicht als alltagsflüchtige, oder wie mir vor kurzem jemand geschrieben hat als „tatenlos vor der Verantwortung in Europa“ drückend, sondern als schöpferische Auszeit. Nicht als „herumgondeln in der Welt“, sondern als unsere Suche des Lebens in dieser Welt. Nachdem wir glauben, dass zur Entwicklung des Menschen bzw. der Persönlichkeit auch das Außen im Inneren sich zeigt, wollen wir uns noch weiter außen bewegen um innen bewegt zu sein und wünschen dir und euch das auch.

 

Stay in contact

 

Willi und Eva

 

27. Mai 2016