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Tierra del Fuego/Feuerland

 

Als der Seefahrer Magellan 1520 die Ost-West Passage zwischen Atlantik und Pazifik entdeckte, sah er die Lagerfeuer der dort lebenden Indianer und nannte die Landschaft „Tierra del Fuego“. Wir sind damit in Ushuaia, dem südlichsten Punkt unserer Reise angekommen.

 

Einst war Ushuaia die Hölle Argentiniens, eine Strafkolonie inmitten der unwirtlichen Natur Feuerlands. Ab 1902 errichtete man ein Gefängnis am Beagle-Kanal. In Fußschellen verschiffte man die Gefangenen hierher. Dreitausend Kilometer von Buenos Aires, dazwischen die endlosen Steppen Patagoniens, gelang es kaum jemand zu entkommen. Die Strafanstalt wurde 1947 geschlossen. In Ushuaia beginnt das letzte Inselarchipel vor Kap Hoorn, es ist tatsächlich der letzte Vorposten der Zivilisation, dass „Ende der Welt“.

Großartig ist die Natur. Schroffe, schneebedeckte Berge erheben sich über die Stadt. Mal düster, mal silbrig leuchtet das Wasser des Beagle-Kanals über die Buchten und Felsinseln, die das Eis irgendwann ausgeschliffen hat.

 

Zwar gibt es hier einige Schaffarmen auf Feuerland aber sonst vor allem Tundra und rötlich-moosige Sümpfe, die Bruce Chatwin in seinem berühmten Reisebericht „In Patagonien“ an eine „offene Wunde“ erinnerte, „aus der Eiter und Blut fließen“. Kein Wunder, den von den Menschen die hier vor den "Weißen" waren lebt heute keiner mehr.

 

1880 begann die Einwanderung der weißen Europäer auf Feuerland. Gold war der Beweggrund an diesen entlegenen Ort zu kommen und später nachdem der Traum vom Reichtum ausgeträumt war, beschlagnahmten Sie das Land und führten die Schafzucht ein. Das war der Anfang vom Ende der Feuerlandindianer. Zu dieser Zeit gab es mehrere verschiedene Stämme, zb. die Selk´nam, die Yagán oder Yamana, Haush und Alacaloof.

 

Die Feuerlandindianer

Die Yamanaindianer zum Beispiel waren ein außergewöhnliches Volk. Sie lebten schon seid mindestens 6000 Jahren hier auf Feuerland im Einklang mit der Natur. Sie jagten in den Fjorden mit ihren Kanus nach Meeressäuger. Sie siedelten entlang des Beagle-Kanals bis Kap Hoorn, das für Jahrtausende der südlichste Ort der Erde blieb, bis in den 20iger Jahren des 19. Jahrhunderts die ersten Abenteurer den Fuß auf das Eis der Antarktis setzten. Um die Felseninseln und in den Fjorden lebten die Yamana vom Fischfang oder jagten Robben und Guanakos, die wilden Verwandten der Lamas. Die Frauen tauchten nach Krustentieren. Über Jahrtausende passten sie sich an die extremen Lebensbedingungen an. „Die Yamana kannten keine Kleidung“, gegen die Kälte schützten sie sich mit Tierfetten.

Bis heute weiß niemand, wann und woher die Yamana einst nach Feuerland vordrangen. Man sagt, dass die Nomaden einst aus Polynesien oder aus dem südlichen Afrika nach Südamerika gelangt sind. Genaue Belege darüber gibt es keine.

 

Der Forscher Charles Darwin, der im Dezember 1832 an Bord der Beagle Patagonien erreichte, waren die nackten Ureinwohner beeindruckender als die gewaltigen Gebirgszüge und Gletscher. In sein Tagebuch schrieb er: „Es war ein nackter Feuerländer, sein langes Haar wehte umher, sein Gesicht war mit Erde beschmiert. In ihren Gesichtern liegt ein Ausdruck, der, glaube ich, all denen, die ihn nicht gesehen haben, ganz unbegreiflich wild vorkommen muss.“

 

Die Feuerlandindianer waren jedoch beileibe keine "Wilden" als die sie von den europäischen Einwanderern gesehen wurden. Über viele hunderte Jahre hinweg entwickelten sie hohe soziale Fähigkeiten, eine spirituell-geistige Kultur, Sprache, Rituale, Techniken und eine hohe Form von Familienorganisation. Sie lebten in Freiheit, Solidarität, respektvoll und friedvoll miteinander.

Im sozialen Zusammenleben gab es hohe Wertvorstellungen, die von den Alten an die Jungen in Zeremonien weitergegeben wurden.

 

Einige dieser Regeln waren:

  • Das Leben ist bitter, wenn ein Mann seine Schwierigkeiten und Probleme nicht überwindet
  • Körperliche Übungen und Muskelstärke sind wichtig, da es sonst zu körperlichen    Beschwerden kommt
  • Am Morgen früh aufzustehen um Energie für die Arbeit zu haben
  • Respektvoll und Gehorsam jedem gegenüber zu sein
  • Kein Eigentum von anderen zu nehmen
  • Nicht vor den Älteren zu essen - immer danach
  • zu Wissen, wie man sich Älteren, Kindern, Frauen und Kranken verhält
  • Sein Bestes zu geben uam.

Das Einhalten dieser Regeln ergab einen höheren sozialer Status, was gleichbedeutend war mit einem höheren Ansehen in der Gruppe. Was aber nicht bedeutete, daß der oder diejenige höher gestellt war als die anderen. Die Gemeinschaft lebte ohne Hierarchie. Jeder (Mann und Frau) hatte seinen Teil zum Leben beizutragen. Ebenfalls höheren Status in der Sippe erwarb man sich als aussergewöhnlicher Krieger, Jäger, Bogenschütze, Ringer, Handwerker, wenn man eine weise Frau oder Mann war oder wenn man überirdische zum Beispiel prophetische Fähigkeiten hatte.

 

Wesentliche Elemente des Zusammenlebens waren Gesänge die voll waren mit mythologischen Erzählungen und spirituellem Geist. Da nichts aufgeschrieben war, wurde alles Wissen des Lebens und Überlebens damit von Generation zu Generation weitergegeben.

Eine Besonderheit dieser Stämme waren die Initiationsrituale und davon das "Hain".

 

Inmitten der unwirtlichen und kalten Landschaft Feuerlands gab es zum "Mann" werden, dieses Initiationsritual. Die jungen Männer mussten harte Test bestehen, physisch und psychisch wurden sie hohen Anstrengungen ausgesetzt, um für das Erwachsen sein und des Überlebens in der Gruppe trainiert zu werden und gewappnet zu sein. Über Tage fasteten sie und durften nur wenige Stunden schlafen. Unter Tags mussten sie unaufhörlich durch die Wälder und Berge laufen um flink und gewandt beim Jagen zu werden. Für die Zeremonie wurden die Männer von den Frauen in Gestalt übernatürlichen Wesens mit übernatürlichem Spirit (die vom Himmel kommen), bemalt.

Eine Zeremonie wurden draussen im Freien - meist im Schnee - abgehalten und in geheimer Weise von den Alten weitergegeben. Der letzte Nachkomme nahm diese Geheimnisse der Rituale mit ins Grab.

Das Ende

1920 waren von den 4000 Ureinwohner des Selk´nam Stammes nur noch 500, die auf Feuerland überlebten. Durch die in Besitzname des Landes wurden den Indianern wie gesagt ihr Lebensraum genommen und die Einschleppung diverser Krankheiten wie den Masern, der Grippe und der Alkohol hat ihnen das Leben gekostet. 1947 waren noch 150 Indianer und der letzte Nachfahre der Selk´nam starb 1999.

 

Am 8. Oktober 2015 starb Emelinda Acuna in Puerto Williams, der südlichsten Stadt der Welt mit 2000 Einwohner auf der Insel Navarino. Die alte Frau war die einzige, mit der ihre heute 86-Jährige Schwägerin Abuela Cristina Calderón  sich noch in ihrer Muttersprache unterhalten konnte. Calderón gilt als letzte Yamana-Indianerin Feuerlands. Wenn auch sie stirbt, hat das Volk, das schon vor Jahrtausenden am weitesten in den Süden der Erde vordrang, seine letzte Stimme verloren.

In gerade mal 100 Jahren ist es gelungen eine bis dahin intakte Gemeinschaft auf Null zu dezimieren.

 

20. Februar 2016

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Willi und Eva

 

 

Die Bilder wurden im Rahmen einer Austellung in El Calafate von uns abfotografiert und die Informationen stammen aus dem Museum in Porvenir.